Selten findet sich in der westlichen tonalen Musikkultur eine Struktur, in der dramaturgischer Aufbau, Variationstechnik, Motiventwicklung und vollendete harmonische Gestalten in einer solchen Dichte auftreten wie bei Ludwig van Beethoven. Anders verhält es sich in der arabischen Musikkultur: Das musikalische Gefüge enthält zwar keine Dramaturgie, Variationen oder klassische Harmonien – und doch vermag es, das Absolute zu erreichen. Denn die ästhetische Vorstellung gründet sich hier auf dem unendlichen Netz der vierzehn Tongeschlechter, den Tetra- und Pentachorden.
Ausgehend von dieser ästhetischen Auseinandersetzung und einer neuen Vertonung von Schillers „An die Freude“ in arabischer und deutscher Sprache hat sich der Komponist Saad Thamir zum Ziel gesetzt, ein neues symbiotisches Musikgebilde zu schaffen – bestehend aus den beiden Musikkulturen. Die musikalischen Elemente fließen ineinander, stehen aber nicht nebeneinander und kein Stil dominiert den anderen. Vielmehr spinnt Thamir in einem dramaturgischen Verlauf ein neues musikalisches Gewebe.
Praktisch realisiert wird die Komposition durch ein westliches Orchester und ein arabisches Kammerensemble sowie zwei Vokalensembles – eines deutschsprachig, eines arabischsprachig.
Initiator des Projekts ist der Kalligraph Shahid Alam, der am Konzertabend das Gedicht künstlerisch gestaltet – live sichtbar auf einer Leinwand.
Mit den Geräuschen der Federführung des Kalligraphen versucht der Komponist, im Zusammenspiel von Musik und Kalligraphiekunst eine Einheit auf mehreren Ebenen zu erschaffen:
zwischen den Musikkulturen,
zwischen Schrift- und Klangkunst,
und letztlich zwischen Orient und Okzident.